Josef. F. Terfrüchte schuf ein bislang einzigartiges Konzept, er fährt ältere Menschen kostenlos zum Grab ihrer Lieben
VON MARIA MACHNIK
Josef F. Terfrüchtes Bestleistung beschränkt sich nicht auf einen einzigen Moment. Sie dauert an – und das schon seit 17 Jahren – und ist „bislang immer noch einzigartig in Deutschland“, sagt er mit einem gewissen Stolz.
Gemeint ist das erste Friedhofsmobil, das seit dem 24. April 2002 Woche für Woche nach einem festen Plan die 59 Kölner Friedhöfe anfährt. Seither „begleiten wir jährlich 1600 bis 1800 Senioren zum Friedhof“, sagt der Wahl-Geyener (siehe Kasten „Mit dem Auto auf den Friedhof“).
Entsprungen ist die Idee, das Friedhofsmobil ins Leben zu rufen, dem Wunsch zu helfen. Beruflich – Josef F. Terfrüchte war 33 Jahre lang Geschäftsführer der Genossenschaft Kölner Friedhofsgärtner – habe er oft erlebt, dass ältere Menschen darüber klagten, sie kämen nicht mehr zum Friedhof, um am Grab ihrer lieben Verstorbenen zu trauern. „Beispielsweise, weil sie in Mühlheim lebten, der verstorbene Partner aber auf Melaten lag.“
An einem Freitagabend im Jahr 1999, auf dem Weg ins Wochenende, war der Gedanke plötzlich da: „Ein Friedhofsmobil muss her für ältere Menschen, die aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen, weil ein Taxi zu teuer ist, nicht mehr zum Friedhof kommen.“
Großer Bedarf
Angespornt von den Worten eines Freundes „Wenn du Zeit hast, mach es“, und dem Zuspruch seiner Frau, machte sich der dreifache Vater auf die Suche nach Möglichkeiten, um sein Vorhaben umzusetzen. „Mir war klar, dass der Bedarf groß war.“
Einfach zu realisieren war die Idee, die er selbst für „gut, praktikabel und machbar“ hielt, allerdings nicht. Karitative Einrichtungen kamen nicht in Frage, da „jeder Transport Geld gekostet hätte und sehr aufwendig gewesen wäre“. Die Reaktion des Bundesamtes für Zivildienst in Köln, dem er sein Konzept im Oktober 2000 vortrug, sei zwar sehr positiv gewesen. „Ich hätte einen Zivildienstleistenden bekommen. Als ich die Rahmenbedingungen studiert habe, ist mir aufgefallen, dass er wegen diverser Veranstaltungen immer wieder ausgefallen wäre.“
Nachdem sich beide Möglichkeiten zerschlagen hätten, sei ihm klar geworden, dass er einen Geldgeber für sein Vorhaben brauche. Kurzentschlossen gründete der gebürtige Westfale in Absprache mit den Mitgliedsbetrieben der Genossenschaft den Träger-Verein Senioren Servicedienste Köln.
„Rund 50 von mehr als 80 haben gesagt, dass sie bereit sind, die finanzielle Basis zu schaffen und dem Verein beizutreten.“ Mit der Satzung, die im Dezember 2001 rechtskräftig wurde, war ein entscheidender Schritt getan. Bei der Suche nach einem Fahrer war das Arbeitsamt behilflich. „Es hat mir zugesagt, dass ich einen Fahrer bekomme. Das Gehalt für ein Jahr war somit finanziert.“ Unter den 46 Bewerbern entschied sich Josef F. Terfrüchte für Godehard Bettels, einen ausgebildeten Grafiker und Illustrator. „Mir war wichtig, dass er soziale Kompetenz und Geduld hat und zuhören kann. Seine ruhige Art hat mich überzeugt.“
Fehlte nur noch ein fahrbarer Untersatz. Doch der war schnell gefunden, wie sich Josef F. Terfrüchte erinnert. Dank seiner guten Kontakte, habe er einen Unterstützer für das Projekt gewinnen können, der 10 000 Euro gespendet habe. „Gemeinsam mit meinem Sohn habe ich bei allen Autohäusern angeklopft. Schließlich habe er bei Renault einen Kangoo, „das beste Auto für Senioren“, ausgesucht. „Sie haben uns einen guten Preis gemacht, ich musste nur noch 2000 Euro aus Mitgliedsbeiträgen drauflegen.“
Am 24. April 2002 trat Godehard Bettels seine erste Fahrt an. „Seither hat das erste Kölner Friedhofsmobil rund 24 000 Fahrten zu den 59 Kölner Friedhöfen unternommen.“ Inzwischen hat Fahrer Bettels den vierten Renault Kangoo. Die ersten beiden hat der Verein zum Großteil aus Spenden finanziert, die letzten beiden hat die Rundschau-Altenhilfe „Die gute Tat“ gestellt.
„Wie in all den Jahren zuvor“, ist Josef F. Terfrüchte für den Verein Senioren Servicedienste Köln „unablässig“ auf der Suche nach Unterstützern. „Nur mit dem Versenden von Briefen ist es nicht getan“, weiß er aus Erfahrung. Der Verein brauche pro Jahr 50 000 Euro, um das Friedhofsmobil am Laufen zu halten.
Das Geld werde benötigt für Treibstoff, Versicherung, Wartung, der Großteil sei für Godehard Bettels. „Ich habe mir mühsam einen Spenderstamm aufgebaut“, sagt Terfrüchte.
Hart an der Grenze Auch „wenn es immer hart an der Grenze ist“, wird Josef F. Terfrüchte nicht müde, für das deutschlandweit immer noch einzigartige Konzept zu werben. Er habe vier Wochen lang in ganz Deutschland recherchiert, etwas Vergleichbares habe er nicht gefunden. Es sei ja auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Es sei ihm eine Herzensangelegenheit, die älteren Menschen für einige Zeit aus ihrer Isolation und Einsamkeit herauszuholen.
Ein Ansporn, nicht nachzulassen, seien die positiven Reaktionen beispielsweise von Prominenten. 2007 haben die Kabarettisten Jürgen Becker, Martin Stankowski und Pfarrer Franz Meurer in ihrem Buch „Von wegen nichts zu machen“ das Kölner Friedhofsmobil als nachahmenswerte lokale Initiative aufgeführt.
In erster Linie sind es aber die anerkennenden, berührenden Dankesworte der „Mitfahrenden“, die den Verein, Josef F. Terfrüchte und Godehard Bettels auf Karten, in Briefen oder online erreichen. Hier einige Beispiele: „Ich habe meinen Frieden gefunden“, „ich war nicht nur am Grab, ich habe auch den Dom gesehen“, „so, jetzt bin ich wieder glücklich, dass ich bei ihm sein durfte“, „ich komme in Gegenden, in denen ich schon ewig nicht mehr war“, „schön, dass es diese Einrichtung gibt“.
Inzwischen ist das Friedhofsmobil so gefragt, dass die Senioren sechs Wochen auf einen Termin warten müssen. Um die Wartezeit zu verkürzen und „um den Senioren auch im Speckgürtel von Köln“, wie etwa in Pulheim, den Besuch eines Kölner Friedhofs zu ermöglichen, möchte Josef F. Terfrüchte ein zweites Friedhofsmobil anschaffen.
Denn: „Es ist großartig, wenn man etwas geschaffen hat und die Menschen es annehmen.“